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AutorenbildStefanie

Als Mephisto in mein Leben kam

Von toxischen Beziehungen, Totalabstürzen und Teeniedramen


Um meine Abstinenz zu stabilisieren, reicht es nicht aus, „bloß“ nicht mehr zu trinken, sondern ich setze mich auch viel mit mir selbst, dem „Warum“ und somit auch meiner Vergangenheit auseinander. Dabei habe ich so manche Beziehungen in meinem Leben näher beleuchtet und festgestellt, dass darunter so einige Bad Boys zu finden sind, die allesamt ein gehöriges Alkoholproblem hatten. Ob das nach wie vor der Fall ist, kann ich nur bei einem sicher sagen. Ich starte heute mit dem Bad Boy #1 – meinem ersten Freund, dem ich nicht nur meine Unschuld, sondern drei lange Jahre meiner Jugend geschenkt habe.


Als dieser im Zuge einer Ehrenrunde zu uns in die 2. Klasse der Handelsakademie stieß, war ich noch ein braves und im Elternhaus (dieses bestand aus meiner Mutter und ihrem Lebensgefährten) gehorsames Mädel ohne großartige Erfahrung mit Jungs. Ich war immer eine Streberin, die stets Vorzüge nach Hause brachte, und ich war bis zu diesem Zeitpunkt nie aufmüpfig, respektlos oder rebellisch meiner Mutter oder ihrem Lebensgefährten gegenüber. Es allen recht zu machen und mich gut zu benehmen, damit ich ja gemocht und akzeptiert wurde, war mein Bestreben. Und doch hatte ich immer das Gefühl, ich sei nicht genug und müsste mich noch mehr profilieren, um zu gefallen und anerkannt zu werden. Bis eben er in unserer Klasse landete. Der Junge mit Akne im Gesicht, den die Schule nur wenig interessierte, der bekannt war wie ein bunter Hund und dem nachgesagt wurde, dass er schon einige Mädchenherzen auf dem Gewissen hatte. Exakt der hat mich gereizt und mein Herz höher schlagen lassen. Damals wusste ich natürlich noch nicht, dass er mir dieses nicht nur einmal gehörig brechen würde.


Am 7. Februar 1998 war es schließlich soweit – der jährliche Schulball fand statt – und wir küssten uns zum ersten Mal. Für mich war es der erste richtige Kuss und einmal damit angefangen, haben wir an diesem Abend auch nicht mehr damit aufgehört. Bis ich von meinen Eltern abgeholt wurde. Den Abend über hatte ich - wie alle anderen auch - einiges getankt und durch die frische Luft am Weg zum Auto gehörig die Auswirkungen gespürt. Während der Autofahrt konnte ich mich noch zusammenreißen, doch als wir daheim parkten und ausstiegen, war mein erster Weg zu den Mülltonnen, um mich dort zu übergeben – im Beisein meiner Eltern, die mir am nächsten Tag gehörig die Leviten lasen. Dieser Abend war sozusagen der Start in meine rebellische Trotzphase und auch Mephistos Einzug in mein Leben. Ich war damals 15,5 Jahre alt. Mit meinem ersten Freund kam nun die Zeit des Partymachens. Sobald wir sturmfrei hatten, wurde gefeiert und der Alkohol war natürlich stets mit von der Partie. Meinen Eltern gefiel diese Entwicklung und vor allem meine Beziehung zu meiner ersten großen Liebe so ganz und gar nicht. Mit Verboten und Auferlegung viel zu früher Heimgehzeiten versuchten sie dem entgegen zu wirken. Das bewirkte ihn mir jedoch nur noch mehr Trotz und Zuneigung zu meinem Freund. Meine Noten blieben weiterhin top, den Ehrgeiz und mein Verantwortungsbewusstsein was meine schulischen Leistungen anbelangte, verlor ich dabei nie. Ich war ein Teenie mit zwei komplett konträren Seiten: die fleißige und ambitionierte Streberin unter der Woche, die von den Professoren geliebt wurde und die wilde, ausgelassene Partymaus, die mit den Jungs um die Wette soff, am Wochenende. Der kurzen Leine meiner Eltern entkam ich, indem ich mich spätabends – die Eltern lagen um halb acht stets im Bett – aus dem Haus schlich. Im Schlepptau meine Stiefschwester, die zwei Jahre (!) jünger war als ich. So schlugen wir uns die Nächte um die Ohren und schauten jedes Mal zu tief ins Glas. Dass am Mittagstisch nie etwas zu uns gesagt wurde, schließlich saßen wir beide oft halbkomatös und vermutlich aus allen Poren nach Alkohol und Zigaretten stinkend, appetitlos vor unseren Tellern, ist mir bis heute ein Rätsel.



Meine Unschuld verlor ich schließlich bei einem Campingausflug unserer Clique. Das war auch jener Ausflug, an dem ich das erste Mal einen Joint (mit)geraucht habe. Einige aus der Clique hatten regelmäßig etwas dabei und waren grundsätzlich selig, wenn sie nichts davon teilen mussten. Dieses Mal rauchte ich mit und ein weiteres Mädel und ich kamen auf die glorreiche Idee, anschließend mit dem Schlauchboot raus zu fahren – splitternackt! Ich kann nicht mehr sagen, ob der Joint zusätzlich großartig gewirkt hat, da wir zu diesem Zeitpunkt alle bereits angetrunken waren. Die Kombination machte uns Mädels jedenfalls mutig und abenteuerlustig. Nur hatten wir dadurch auch so unsere Probleme mit der Orientierung am Wasser – es war zudem stockdunkel. Da wir auch im Rudern nicht unbedingt geübt waren, trieben wir relativ schnell ab und wussten irgendwann nicht mehr, wo sich das Ufer, an dem wir losgepaddelt sind, befand. Irgendwo haben wir es dann zurück an Land geschafft und mussten mit dem Boot an der öffentlichen Hauptstraße eine ziemlich lange Wegstrecke zurücklegen, um zu unserem Campingplatz zurück zu gelangen – so wie Gott uns schuf, das Boot als Sichtschutz dienend. Damals fanden wir das natürlich extrem lustig und cool, würde ich heute von einer derartigen Aktion meiner Tochter erfahren, befände sich diese auf direktem Weg in ein Boot Camp. Nach diesem Abend habe ich in meiner Jugend noch zweimal bei einem Joint mitgeraucht und Gott sei Dank festgestellt, dass mich das wenig reizt. Ich hatte vor Drogen generell den größten Respekt und kam auch nie mit Pillen in Kontakt. Da war mir der Rausch, den der Alkohol verursachte, um einiges lieber. Und davon gab es dann einige. Es war völlig normal, sich am Wochenende mit Freunden zum Vorglühen zu treffen und erst, wenn alle schon ziemlich bedient waren, in eine Diskothek aufzubrechen, um dort feuchtfröhlich bis in die Morgenstunden weiter zu feiern. Da gab es die Abende, an denen die sogenannte Schaumparty stattfand und Mädels im Bikini freien Eintritt hatten. Gut angeheitert fiel es nicht schwer, sich vor den Türstehern bis auf den Bikini zu entblößen, um die paar Schilling (der Euro kam erst später) nicht in den Eintritt, sondern in das erste Getränk zu investieren. Auch da habe ich einmal mitgespielt. Wozu ich aber nie besoffen genug war, war die sogenannte gläserne Dusche. In dieser regnete es Geldscheine, die man fangen musste und dann behalten durfte. Voraussetzung war aber, die Dusche nackt zu betreten und sich von der gesamten Diskoschar dabei zusehen zu lassen. Das lebende Buffet, bei dem eine nackte Person (in der Regel junge Frauen) mit Essen bepackt und von der dann „genascht“ wurde, war ein weiteres Highlight zu dieser Zeit. Beides fand ich damals schon komplett schwachsinnig und entwürdigend. Den Jungs hat das natürlich gefallen und ich war – durch den Alkohol zusätzlich angestachelt – oft eifersüchtig, wenn der Blick meines Freundes zu lange an der jeweiligen nackten jungen Frau hängen blieb. Streit war da oft vorprogrammiert.


Mit der Zeit war nicht nur Eifersucht ein Streitthema, sondern auch die Komplettausfälle meines Freundes, wenn er zu viel getrunken hatte. Da kam es auch das ein oder andere Mal zu Schlägereien und irgendwann zu Diebstählen. Von denen habe ich jedoch erst einige Zeit nach der Trennung erfahren. Der beste Kumpel meines Freundes, von dem man wirklich alles haben konnte, der aber im Grunde genommen als einziges Hobby auch nur das Saufen hatte, brach eines Tages plötzlich den Kontakt ab. Mir wurde von meinem Freund irgendein Märchen aufgetischt, das ich ihm in meiner Naivität geglaubt habe. Später erfuhr ich, dass auf einer gemeinsamen Taxifahrt nach Hause meinem Freund nichts Besseres einfiel, als die Geldtasche des Taxilenkers zu klauen. Dieser hat das mitbekommen, und so kam es zur Anzeige. Mein Freund, da noch nicht volljährig zu diesem Zeitpunkt, kam mit einem blauen Auge davon. Sein bester Freund, der halt das Pech hatte im selben Taxi zu sitzen, bekam eine Vorstrafe. Das war für diesen dann der Ausschlag dafür, den Kontakt abzubrechen. Mein Freund schreckte auch nicht davor zurück, mich eines Tages mit dem Auto seines Onkels abzuholen. Er hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt den Führerschein noch nicht. Und ich war obendrein so blöd und stieg auch noch ein bei ihm. Ich habe zwar den restlichen Abend über geschmollt, aber er wusste ja, dass er meine Spinnerei nur auszusitzen hatte. Einige Zeit später, da hatte er bereits den Führerschein und sein erstes Auto, war ausgemacht, dass er mich abholen würde und wir an diesem Abend noch mit ein paar Freunden in unsere Stammdisko einfallen würden. Rausgeputzt und in freudiger Erwartung auf eine weitere Partynacht wartete ich auf ihn. Er kam mit über einer Stunde Verspätung und meine Laune war da natürlich schon am Tiefpunkt. Nachdem ich ihn alles andere als freundlich begrüßt habe, flippte er aus und schrie mir entgegen, dass er einen Reifen wechseln musste, da irgendein A…. ihm diesen aufgeschlitzt hätte. Auch dieses Märchen habe ich geschluckt und bin ins Auto gestiegen. Erst während der Fahrt merkte ich, dass er komplett besoffen und neben der Spur war. Zudem kam dann noch seine übliche Aggressivität, die immer zum Vorschein kam, wenn er getrunken hatte. Ich blieb daher die restliche Fahrt über still und hoffte nur, heil bei ihm zu Hause anzukommen. Diese ging Gott sei Dank bis zum Einparkversuch gut. Beim Parken selbst ruinierte er sich den zweiten Reifen und mir dämmerte schön langsam, was es tatsächlich mit dem ersten kaputten Reifen und seiner Verspätung auf sich hatte. Auf einen gemeinsamen Abend hatte ich absolut keine Lust mehr, rief mir ein Taxi und fuhr allein in die Diskothek, um dort die Clique zu treffen. Ich ließ mich dann ohne schlechtes Gewissen volllaufen, schließlich musste ich ja meinem Ärger und meiner Wut Luft machen.


Einige von euch wundern sich vermutlich, warum ich mit diesem Typen nach wie vor zusammen war. Naja, ich kannte zu der Zeit seine Familienverhältnisse schon relativ gut und hatte damals anscheinend bereits ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Er lebte bei seinen Großeltern, da sein Vater nichts von ihm wissen wollte und mittlerweile eine andere Familie hatte und seine Mutter, die ihn mit 16 zur Welt brachte, in Italien lebte. Er tat mir daher irgendwie leid und ich hatte den Drang, diese verlorene Seele retten zu müssen. Gute Seiten hatte er ja, denn er konnte – wenn er wollte – sehr charmant sein, war nicht dumm und hatte Humor. Außerdem schien mich nach wie vor einiges an seinem Bad-Boy-Image anzuziehen. Seine Mutter lernte ich nach einer Weile auch kennen. Meine Vorfreude auf einen Italientrip war groß, schließlich liebte ich die Sprache, das Land an sich und auch das Essen. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass seine Mutter und ihr späterer Mann bereits zum Frühstück den ersten Joint rauchten und spätestens zu Mittag schon so benebelt waren, dass er mir stundenlang in seiner Sprache (die ich nur bruchstückhaft verstand) seine Lebensgeschichte erzählte und sie - die Mutter - nach zwei Minuten nicht mehr wusste, dass sie mir dieselbe Frage bereits zum dritten Mal gestellt hatte. Eines Morgens musste ich dabei zusehen, wie sie die gesamte Wohnung total nervös und gereizt auf den Kopf stellten, weil sie kein Gras mehr zur Hand hatten und hofften, doch noch irgendwo Reste zu finden. Tja, das Kennenlernen seiner Mutter hatte ich mir doch anders ausgemalt. Meiner eigenen Mutter habe ich davon natürlich kein Wort erzählt, da sie mich ansonsten nie wieder dorthin hätte fahren lassen. Auch erfuhr sie nicht, dass seine Mutter ursprünglich als Prostituierte in Italien gelandet war und von ihrem Italiener sozusagen von der Straße geholt worden war. Das Geld war bei den beiden immer knapp, was mich bei deren Graskonsum nicht verwunderte. Sie kam auch einmal zu Besuch nach Österreich und verwendete ihr Zugticket, das auch für die Rückfahrt bestimmt war, als Filter für ihren Joint. Das fiel ihr aber erst auf als es bereits zu spät war. Das Geld für die Heimfahrt musste sie sich von ihren Eltern ausleihen. Ich weiß, dass ich mir damals schon dachte, wie armselig das doch ist und wollte meinem Freund daher umso mehr zeigen, dass es sich lohnt, nicht so zu werden. Wir wurden schließlich zur Hochzeit nach Italien eingeladen und auch darauf freute ich mich. Eine italienische Hochzeit stellte ich mir ganz besonders ausgelassen und lebendig vor. Die Vorfreude verflog relativ schnell am ersten Abend, als ich erfuhr, dass die Männer – also auch mein Freund – gemeinsam von dannen ziehen würden und ich mit seiner Mutter und einer einzigen Freundin von ihr den „Polterabend“ verbringen müsste. Kaum waren die Männer aus dem Haus, wurde das Koks ausgepackt und von den beiden durch deren Nasen gezogen als gäbe es kein Morgen. Ich war völlig baff, mit Koksern hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie zu tun, und ich hatte wie schon erwähnt einen Heidenrespekt vor derlei Drogen. Ich blieb beim Wein und versuchte krampfhaft, mir mit dessen Hilfe den Abend erträglich zu trinken. Wir fuhren zu späterer Stunde in eine Bar - nicht in einem Taxi wohlgemerkt. Im Auto dachte ich die ganze Zeit daran, wie meine Mutter reagieren würde, wenn sie wüsste, was ich da gerade in einem fremden Land erlebe und in wessen Obhut sie mich da sozusagen übergeben hatte. Der ganze Abend war komplett surreal und ich machte mir zusätzlich Sorgen, ob mein Freund sich mit den Männern eine Line nach der anderen reinzieht, während ich hoffte, den Abend irgendwie zu überstehen. Das Bild der beiden - also der Mutter und des Italieners - am nächsten Tag werde ich auch nie vergessen, denn das weiße Gold vom Vorabend hat Spuren hinterlassen und der ständige Drang sich zu schnäuzen war sicher alles andere als prickelnd. Alleine dieser Anblick reichte mir aus, um zu wissen, dass ich nie derlei Substanzen ausprobieren würde. Zusätzlich hatte ich Angst vor einer Abhängigkeit oder von einem Trip eventuell nie wieder komplett runter zu kommen und bleibende Schäden davon zu tragen. Dass der Alkohol genauso gefährlich, hinterlistig und verhängnisvoll ist, wollte ich mir damals nicht eingestehen. Schließlich haben alle in meinem Alter wild gefeiert und die Wochenenden mit ausreichend Promille im Blut verbracht. Mich hielten auch die unzähligen Kater, verpennten freien Tage, die Übelkeit und Blackouts nicht davon ab, daran etwas zu ändern. Da musste man dann halt durch, so wie die Zwei nach dem Koksen halt mit einer gereizten Nasenschleimhaut zurechtkommen mussten. Die Hochzeit an sich war alles andere als berauschend, im wahrsten Sinne des Wortes. Nach der Trauung im Standesamt fand ein Mittagessen in einer Kneipe ohne besonderem Ambiente statt. Danach ging es ins öffentliche Freibad. Nichts mit Feiern, Tanzen auf den Tischen und Singen bis in die Morgenstunden, wie ich mir eigentlich eine südländische Hochzeit in meiner Fantasie ausgemalt hatte. Das letzte Mal sah ich seine Mutter und ihren Mann zu meinem 18. Geburtstag. Mein Freund und ich waren in Gabicce Mare auf Urlaub und wurden an meinem Geburtstag, den ich eigentlich ganz besonders feiern wollte - schließlich war ich ab nun volljährig - mit dem Auto von den beiden abgeholt, um die letzte Nacht unseres Urlaubs bei ihnen zu verbringen. Wir gingen jedoch nicht schick essen und feiern, sondern machten einen Abstecher nach Rimini zum Strand, um in den Pinienwäldern im Dunkeln nach Drogendealern zu suchen. Der Grasvorrat war wieder mal alle. Die ganze Aktion hat ewig gedauert, meine Feierlaune war im Keller und ich wollte nur noch ins Bett und zurück nach Österreich.


Soviel zu seiner Mutter, doch leider war auch der Rest der Familie eine Herde schwarzer Schafe. Von fünf Onkeln waren vier davon Alkoholiker, zwei hatten dadurch auch keinen Führerschein mehr und die einzige Tante war mit Anfang 20 ebenfalls dem Alkohol verfallen. Aber ich mochte alle gerne und sie mich. Man konnte Spaß mit ihnen haben und sie hielten zusammen. Eines wusste ich aber damals bereits: Ich wollte später mal kein Leben wie sie führen. Die einen hatten keine Arbeit und jene, die arbeiteten, hatten schlecht bezahlte Jobs. Das Geld war bei allen knapp und ich merkte, keiner von ihnen hatte den inneren Antrieb oder Ehrgeiz dazu, mehr aus ihren Leben machen zu wollen. Die Tante wechselte ihre Jobs von einer Tankstelle zur nächsten, keine Stelle behielt sie lange, da sie ständig nach durchzechten Nächten blau machte oder noch bzw. schon betrunken zur Arbeit erschien. Für mich als junge Frau war ein Job an einer Tanke die schlimmste Vorstellung. Schließlich trafen sich dort auch die Alkis zum Saufen, und viele davon waren ab einem gewissen Pegel dann alles andere als nett den Frauen gegenüber. Auch sah man ihr ihren Lebenswandel in diesen jungen Jahren bereits an, sie hatte ständig glasige Augen und ein aufgedunsenes Gesicht. Oft beteuerte sie mir gegenüber, mit dem Trinken nun aufzuhören, diese Vorsätze waren jedoch immer von sehr kurzer Dauer. Ich weiß noch, dass ich mich anfangs auch immer gewundert habe, dass sie bereits nach ihrem ersten Getränk hackedicht war – mittlerweile ist mir klar, dass sie nie bei einem Nullwert gestartet hatte und somit das eine Getränk bereits ausreichend war, um schon wieder betrunken zu sein. Sie wurde schließlich von ihrem Nachbarn schwanger, ungewollt, aber auch nicht überraschend. Schließlich war keiner der beiden soweit, an Verhütung einen Gedanken zu verschwenden. In den neun Monaten ihrer Schwangerschaft trank und rauchte sie wie zuvor auch, obwohl sie immer wieder bei Tag 1 starten wollte. Geschafft hat sie es nie und ich war es irgendwann leid, auf sie einzureden. Schließlich war ich fast noch ein Kind und sie die Erwachsene mit Verantwortung für ein kleines Lebewesen, das da in ihrem Bauch heranwuchs. Noch dazu waren da noch fünf Brüder, ihre Eltern und der Vater des Kindes, die eigentlich etwas unternehmen hätten müssen. So kam es schließlich, dass die Werte des Babys nach der Geburt auffällig waren und die Ärzte auch gleich offen den Verdacht des Alkoholmissbrauchs während der Schwangerschaft äußerten. Der kleine Junge hatte gerade mal das Licht der Welt erblickt und niemand konnte sagen, in welcher Weise und Schwere sich die Auswirkungen durch die Giftstoffe, die die Mutter dem Kleinen da zugeführt hatte, in seinem Leben zeigen würden. Relativ bald wurde festgestellt, dass er fast blind war und er brauchte mit nicht einmal drei Monaten eine Brille. Ich habe zu dieser Zeit einige Male auf ihn aufgepasst, wenn sie wieder irgendwo unterwegs und nicht auffindbar war. Das Baby konnte ja absolut nichts dafür und war schon gestraft genug. Denn auch der Vater war ein Nichtsnutz, auch wenn dieser zumindest kein Alkoholproblem hatte. Eines Abends riefen wir mal wieder bei ihr an, um zu erfragen, wann sie denn gedenkt heimzukommen, um sich selbst um ihr Kind zu kümmern. Da saß sie gerade im Auto und während wir uns noch unterhielten, hörten wir einen Riesenkrach am anderen Ende der Leitung. Wir wussten, wie sich ein Unfall anhörte. Ein paar Sekunden später sprach sie wieder mit uns. Sie war auf eine Verkehrsinsel aufgefahren, war unverletzt und das Auto noch fahrtüchtig. Nun musste sie zusehen, von dort schnell wegzukommen, um nicht mit ihrem Promillegehalt aufzufliegen. Furchtbar, ich weiß.


Zu dieser Zeit krachte es auch regelmäßig zwischen meinem Freund und mir. Seine ständige Sauferei ging mir schon auf die Nerven, in der Schule verließ er sich ständig auf mich (wir saßen nebeneinander und so konnte er bequem von der Streberfreundin bei Tests und Schularbeiten abschreiben), tauchte dort oft auch nicht auf und ich wusste, dass er am Vorabend wohl mal wieder ohne mich unterwegs war. Es häuften sich zudem Anrufe von fremden Mädels, für die er immer wieder die abstrusesten Ausreden parat hatte. Innerlich spürte ich, dass mir dieser Mensch mitsamt der ganzen Familie nicht guttat und ich für mich eine andere Zukunft wollte. Den endgültigen Schlussstrich schaffte ich jedoch erst nach der Matura (= Abitur). Ein halbes Jahr zuvor war meine Mutter ganz plötzlich und unerwartet verstorben. Für mich änderte sich schlagartig mein ganzes Leben. Meinen Kummer, das Gefühl des Verlorenseins und meinen tiefen Schmerz betäubte ich oft mit Alkohol. Von der Partydroge, um ausgelassen die Nächte durchzufeiern, übernahm er nun die Funktion des Betäubungsmittels. Dennoch war mein Ehrgeiz ungebrochen und ich beendete meine Schullaufbahn mit einem ausgezeichneten Erfolg. Ich flüchtete also auf der einen Seite in den Alkohol und auf der anderen in das Studieren meiner Schulbücher. Zu dieser Zeit lebten mein Bruder und ich noch beim Lebensgefährten meiner Mutter. Seine zwei Kinder lebten auch bei uns. Nachdem dieser relativ bald eine neue Freundin ins Haus brachte, fühlte ich mich dort zunehmend unwohler. Und ich glaube, auch für ihn war diese Art des Zusammenlebens nicht mehr gewünscht. Eine passende Wohnung, die frei wurde, wurde mir vorgeschlagen und mein Bruder zog bei meinem Vater und dessen Frau ein. In der Zeit, in der mein Papa und Opa die kleine Wohnung für mich renovierten und wir dort täglich schufteten, war mein Freund kein einziges Mal als helfende Hand verfügbar. Erst, als alles fertig und erledigt war, kam er vorbei und machte es sich sofort auf meinem neuen Sofa gemütlich. In diesem Moment lief meine Zukunft vor meinem inneren Auge in etwa so ab: Er würde demnächst zum Bundesheer (= Bundeswehr) einberufen werden. An den Wochenenden würde er sich in meiner Wohnung, die ich alleine bezahle, breit machen, sich bekochen und sich die Wäsche waschen und bügeln lassen und währenddessen ein Bier nach dem anderen vernichtend auf der Couch Fußball glotzen. Ja, so in etwa sah ich in diesem Moment meine nahe Zukunft. Und mit dieser konnte ich so ganz und gar nicht leben. Ehe er sich versah, habe ich ihn aus meiner Wohnung geworfen und ihm mitgeteilt, dass es das für mich endgültig war. So war es dann auch. Er hat noch einige Zeit versucht, sich doch wieder in mein Leben zu schleichen, aber irgendwann hatte er begriffen, dass es dieses Mal tatsächlich kein Zurück mehr gab. Und ich wollte dorthin auch nie wieder zurück, für meine Zukunft hatte ich andere Pläne – bessere.

"Wenn eine Person deinen Selbstwert zerstört, ist diese deiner Liebe selbst nicht wert."

Zwei Jahre nach der Trennung verursachte er am hellichten Tag mit fast drei Promille einen Autounfall und erhielt dadurch die Hauptrolle in einem Zeitungsbericht. Die Fotos des Unfalls zeigte er bei einem späteren Klassentreffen stolz in der Runde. An diesem Abend erzählte er auch offen, dass er eine Scheinehe führt. Seine Angetraute benötigte einen Aufenthaltstitel und er anscheinend das Geld, das sie ihm dafür bezahlte. Seither bin ich ihm nicht mehr über den Weg gelaufen, die Vermutung liegt nahe, dass er in die Fußstapfen seiner Onkels getreten ist…



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